Reihe intros. Einführungen in kritische Gesellschaftstheorie
Tagesseminar mit Olaf Kistenmacher (Hamburg) am Samstag, 2. November 2013
Infoladen / St. Pauli-Str. 10-12 / 28203 Bremen
Um die Judenfeindschaft im 20. und 21. Jahrhundert kritisieren zu können, ist es notwendig, zwischen verschiedenen Erscheinungsformen des Antisemitismus zu unterscheiden. Anders als beim historischen Antijudaismus ist diese Feindschaft nicht mehr vornehmlich religiös motiviert. Seit dem 19. Jahrhundert diente der moderne Antisemitismus dazu, mehrere komplexe Phänomene der modernen Gesellschaft scheinbar zu erklären. An den kapitalistischen Krisen, der abstrakten Vergesellschaftung schienen demnach „die Juden“ schuld zu sein, pogromartige Gewalt gegen Jüdinnen und Juden konnte so gerechtfertigt werden. Auf dieser Basis entwickelten die Nationalsozialisten ihre einzigartige Form des eliminatorischen Antisemitismus. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs sind in Deutschland andere, verstecktere Formen der Judenfeindschaft eher verbreitet. Selbst Neonazis hetzen selten offen gegen Jüdinnen und Juden. Allerdings spuken antisemitische Stereotype, z.B. dass „die Juden“ eine besondere Verbindung zum Kapital hätten und über eine besondere Macht verfügten, nach wie vor in vielen Köpfen herum. Am offensten zeigt sich eine Voreingenommenheit gegenüber „Juden“ in den Diskussionen über den Staat Israel. Bei der Entstehung des antizionistischen Antisemitismus spielte die politische Linke eine besondere Rolle. Der Workshop wird an historischen Beispielen die Geschichte des modernen Antisemitismus nachzeichnen und verdeutlichen, wie er mit anderen Phänomenen wie dem Antiamerikanismus verbunden ist.
Olaf Kistenmacher promovierte an der Universität Bremen zum Thema „Arbeit und „jüdisches Kapital“. Antisemitische Aussagen in der Tageszeitung der KPD, Die Rote Fahne, während der Weimarer Republik, 1918 bis 1933“. Er schreibt für die Konkret, Jungle World und Phase 2. Aktuelle Veröffentlichung: Zum Zusammenhang von Antisemitismus und Antizionismus. Die Nahost-Berichterstattung der Tageszeitung der KPD, “Rote Fahne”, während der Weimarer Republik, in: Michael Nagel/Moshe Zimmermann (Hg.): Judenfeindschaft und Antisemitismus in der deutschen Presse über fünf Jahrhunderte/Five hundred Years of Jew-Hatred and Anti-Semitism in the German Press, Bremen: Edition Lumiere 2013, Band 2, S. 591-608.
Anmeldung bitte unter talpe@gmx.net
Der Veranstaltungsort ist barrierefrei zugänglich, die Toilette nicht.
Eine Veranstaltung von associazione delle talpe in Kooperation mit der Amadeu-Antonio-Stiftung.