28.05.2021, 20:00 Uhr
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Im Vergleich haben die Staaten, welche die Coronapandemie nicht verharmlost haben, weniger Todesopfer verursacht. Die Verharmlosung (oder das Bekenntnis zu heroischer Opferbereitschaft) ist, von Ausnahmen abgesehen, weltweit Domäne der Rechten. In den armen Regionen der Welt, wo das soziale Elend der Slums weder Abstandsgebote und erst recht nicht Home-Office denkbar macht – und die Staatskassen nur drakonische Repression erlauben, werden die Toten weder untersucht noch gezählt, sondern verscharrt. Unermittelbar wird sein, wer am Virus gestorben ist und wer am Hunger und Unterversorgung durch die Wirtschaftskrise und ihre Begleiter-scheinungen. Das beunruhigt in Deutschland wenige; und nie darf übersehen werden, dass zum guten Zeugnis, das der Regierung ausgestellt wird, auch Zustimmung zur Gnadenlosigkeit gegen Geflüchtete in den Lagern auf den griechischen Inseln und anderswo gehört. Das Versprechen der Herrschaft, Deutschland werde „gestärkt“ aus der Krise hervorgehen, ist, als relative Größe, durchaus chancenreich. Damit geht eine Ideologie der Risiken einher, die Kollateralschäden akzeptiert – also Tote, weggeschlossene Alte und die Angeschlagenen aller Risikogruppen. Noch etwas verdruckst, aber unübersehbar machen Eugenik und Sozialdarwinismus ihren Weg ins Legitime. Hier liegt die Schnittstelle von Liberalismus und dem Faschistoiden, die Linke, als Verfechter:innen des Lebens und des guten Lebens, reflektieren müssen. Die Produktiven, in ihrem (spontanen) Interesse – ökonomisch und im Bewusstsein – ihrem Kapital und dem Gelingen seiner Geschäfte untergeordnet, demonstrieren ihre Verdinglichung („Wir sind Lufthansa“) und Verzichtbereitschaft auf Lohnbestandteile. Die Normalität verachtenden Gesellschaftskritiker:in-nen stehen im Abseits – und die Tatsache, dass trotz der Gefahren alle, denen das vom Staat nicht untersagt war oder deren Unternehmen nicht die Nachfrage weggebrochen bzw. die Lieferketten gerissen waren, zur Arbeit gingen und gehen, macht ihre Randständigkeit noch deutlicher. Der Referent hält es für einen Irrweg, für Produkte und Dienstleistungen zu fechten, die er für Schrott, überflüssig, schädlich hält – im Namen von Bruttosozialprodukt und Arbeitsplätzen. Er ist Gegner des herrschenden Modells der entsagungsreichen Plackerei und ihrer scheinbaren Entschädigung durch konsumtive Möglichkeiten. Das bedeutet Kritik der Bedürfnisse als Kritik der kapitalistischen Produktionsweise. Die Ankündigung ist auf dem Stand vom Herbst 2020. Die Referent wird auf aktuelle Entwicklungen seitdem eingehen.
Thomas Ebermann ist Publizist, zuletzt erschien von ihm Linke Heimatliebe. Eine Entwurzelung, Hamburg 2019.In den letzten Jahren war er mit Bühnenaufführungen wie Heimat – Eine Besichtigung des Grauens (2019) und Herbert Marcuse – Der eindimensionale Mensch wird fünfzig (2014)in Bremen zu Gast.
Eine Veranstaltung von associazione delle talpe in Kooperation mit Rosa-Luxemburg-Initiative – Die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Bremen